Nachruf für Hermann Anrather
Presseausendung, Innsbruck, 10. November 2023
Es erreicht uns die traurige Nachricht, dass der ehemalige Freiheitskämpfer Hermann Anrather, Schneidermeister aus Kurtatsch, in der Nacht auf den 10. November verstorben ist.
Bereits in den 1950er Jahren hatte er zusammen mit anderen späteren Freiheitskämpfern spektakuläre Protestaktionen gegen die Fortsetzung der faschistischen Entnationalisierungspolitik in Südtirol durchgeführt. Eine besonders Aufsehen erregende Aktion war das Abbrennen eines großen Feuerkreuzes in den Herz-Jesu-Nächten in den Grauner Wänden oberhalb des Dorfes.
Nach der „Feuernacht“ des 11. auf den 12. Juni 1961 schlug auch für Hermann Anrather die Stunde des Unheils. Er wurde verhaftet und in der Carabinieri-Kaserne in Kurtatsch schrecklich gefoltert. In einem Brief aus dem Gefängnis schilderte Anrather die erlittene Folter: „Ich mußte mit der linken Hand oben stehen, und man hatte mir dauernd mit der Hand und Faust ins Gesicht geschlagen u. ins Gesicht gespien. Mit einen vierkantigen Stock schlug man mir auf den Händen, Unterarm u am Oberschenkel weil ich nicht imstande war gerade zu stehen…. Wurde zirka eine Stunde lang ohne Rücksicht geschlagen wie am Vortage. Zusezlich gab man mir Fustritte und schlug man mir mit der Faust an dem Geschlechtsteil.
Mit einer Zange hate man mir die Finger gequetscht, sowie bei den Haaren gezogen das dem Carabiniere ein Handvoll Haare in die Hand geblieben ist. Als ich fertig und erschöpft war, wurde mir mein erstes Protokol geschrieben, wo ich auch zugegeben hätte das ich meine Mutter umgebracht habe, wen sie mich danach gefragt hätten.“ (Wiedergegeben in: Sepp Mitterhofer / Günther Obwegs: „…Es blieb kein anderer Weg“, Meran 2000, S.94 f)
Anrather erstattete Anzeige gegen seine Folterer. Er wurde trotz des erfolterten „Geständnisses“ am 16. Juli 1964 in Mailand zu 2 Jahren und 8 Monaten Kerker verurteilt, in der Berufungsinstanz wurde die Strafe am 30. Juni 1966 auf 7 Jahre und 4 Monate angehoben.
Am 2. Juni 1969 begnadigte der italienische Staatspräsident unter dem Vorzeichen der gewünschten Annahme des „Südtirolpaketes“ durch die Südtiroler Volkspartei eine Reihe von Häftlingen, darunter Hermann Anrather.
Was er und seine Mitstreiter erlitten haben, soll nicht der Vergessenheit anheimfallen.
Wir gedenken seiner in Trauer.
Roland Lang
Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“