Des Sandwirts letzte Heimkehr
Nichts als das eine hab’ ich noch zu fordern, Franz! eine Schaufel Erde aus Tirol!“ Als der tirolische Arzt und Dichter Aloys Weissenbach mit diesen Schlusszeilen seines schwungvollen Gedichtes „Hofers Schatten“ am 31. Mai 1816, dem Huldigungstag Tirols vor Kaiser Franz I., in poetischem Freimut die Bitte um ein heimatliches Grab für den Blutzeugen von Tirol an den Monarchen richtete, da sprach der Mund des Dichters den Wunsch aller Tiroler Patrioten aus. Als in den ersten Jahren nach Hofers Tod, als Tirol wieder unter fremder Herrschaft stand, verhinderten dies naturgemäß die Erfüllung dieses Landeswunsches. Als aber 1814 Tirol und die Lombardei wieder zu Österreich kamen, mehrten sich die Stimmen, die für den Tiroler Helden ein Grab in der Heimat forderten. Schon Hormayr, sonst gewiss kein vorurteilsfreier Biograph, schloss seine 1816 erschienene „Geschichte Andreas Hofers“ mit einem Aufruf, den Leichnam Hofers aus ungeweihter, fremder Erde zu erheben und ihm eine würdige Ruhestätte in Innsbruck zu bereiten. Auch die Tiroler Landstände sprachen wiederholt den gleichen Wunsch des ganzen Landes aus, doch ohne damit dem Ziel, eine Ehrenschuld Österreichs an einem der größten Söhne Tirols einzulösen, näherzukommen. In jenen Jahren festigte sich eben nach erfolgter politischer Neuordnung in Österreich das System Metternichs; die innere und äußere Staatspolitik beschritt damals Wege, die abseits der Tiroler Freiheitsbewegung des Jahres 1809 führten. Wohl sonnte man sich in Wien am Ruhmesglanz der kaiserlichen Tiroler Landesverteidiger und ließ ihnen auch materielle Fürsorge angedeihen, aber man vermied es von hoher und höchster Stelle nach Möglichkeit, die Erinnerungen an jenes Heldenjahr und sein trauriges Ende öffentlich wachzurufen. Daher verhallten auch die Rufe nach einem Tiroler Grab für Andreas Hofer in Wien ungehört, bis der kühne Entschluss einiger Tiroler Kaiserjägeroffiziere endlich eine Tatsache schuf. In Mantua war inzwischen das Grab des Sandwirts von jedem Tiroler und Österreicher besucht worden, der in die Stadt kam. Schon 1814 hatte das Fennerjägerkorps gelegentlich einer vorübergehenden Garnison in Mantua auf Anregung des Tiroler Freiheitskämpfers Johann Gänsbacher im Dienstweg um die Erlaubnis angesucht, Hofers Leichnam auszugraben und in die Heimat zu überführen. Der Bescheid lautete damals nicht abweisend, sondern nur auf günstigere Zeit vertröstend. Im Jahre 1821 wollten Offiziere des 1816 errichteten Tiroler Kaiserjägerregiments auf dem Durchmarsch nach dem Süden in Mantua die längst geplante Absicht durchführen. Der Tag der Ausführung kam aber erst auf dem Rückmarsch des 1. Kaiserjägerbataillons von Neapel nach Tirol im Jänner 1823. Am Abend des 9. Jänner, den die Kaiserjäger als Rasttag in Mantua verbracht hatten, wollte Leutnant Georg Hauger, der tagsüber den Kasernen-Inspektionsdienst versehen hatte, das Grab Andreas Hofers besuchen. Eine Verspätung des ablösenden Inspektionsoffiziers schien Hauger aber diese Möglichkeit zu nehmen. Der Enttäuschte besprach sich mit mehreren Kameraden, den Hauptleuten Eduard Freiherr von Sternbach, Johann von Rumpelmayer, Alexander Chevalier de Rocqueville und Oberleutnant Josef Schön, die gerade im Begriff waren, nach dem Abendessen im Gasthaus „Igel“ die Vorstellung in der Oper zu besuchen. Der Zufall führte die rechten Männer zusammen. Georg Hauger hatte als junger Freiburger Student den Tiroler Freiheitskampf mitgemacht und sich am 8. August 1809 unter Anton Steger beim Kampf um die Lienzer Klause rühmlich hervorgetan. Damals war es Georg Hauger, der in heldenmütiger Begeisterung ein Kruzifix von der Wand eines Bauernhauses riss und sich damit an die Spitze einer Gruppe von zurückweichenden Landstürmern stellte, die er zu neuem Vorgehen mit fortriss. Albin Egger-Lienz, der große Tiroler Maler, hat diesen Vorgang in seinem berühmten Gemälde „Das Kreuz“ frei behandelt. Hauptmann von Sternbach, ein gebürtiger Sterzinger, erstritt sich in der Leipziger Völkerschlacht 1813 durch eine kühne Reitertat das Ritterkreuz des Maria-Theresien-Ordens, Rumpelmayer und der Innsbrucker Schön dienten schon seit Jahren im Fennerjägerkorps und seit 1816 als Kaiserjäger. Alle diese Offiziere waren teilnehmende Zeitgenossen des Jahres 1809, jeder erglühte für Tirol und seinen heldenhaften Oberkommandanten. Dem jäh aufleuchtenden Gedanken folgte die Tat; wenn, so musste rasch etwas geschehen, denn schon am nächsten Morgen um 6 Uhr stand das Bataillon abmarschbereit. Schnell entschlossen suchten die fünf Offiziere zunächst das Grab Hofers auf. Gegen halb 10 Uhr kamen sie zur Wohnung des Pfarrers Anton Bianchi und begehrten Einlass. Der Priester öffnete trotz der späten Stunde ohne weitere Umstände und beschwichtigte auch noch eine keifende Weiberstimme, die „ma cosi tardo!“ (aber so spät) rief. Im Garten des Pfarrers fand sich bald bei Fackelschein die Grabstätte Hofers, die ein einfacher Stein bedeckte. Die fünf Offiziere suchten nun vom Pfarrer als Eigentümer des Gartens die Bewilligung zur Erhebung der Gebeine Hofers zu erlangen. Rumpelmayer erzählte später, er habe den Priester rundheraus um Erlaubnis gebeten und darauf ein kurzes „Wegen meiner!“ zur Antwort erhalten. Hauger berichtete dagegen, dass die Herren dem Geistlichen zuerst wie im Scherz ein Stück des Gartens abkaufen wollten und erst allmählich mit ihrer Absicht herausrückten. Die Bedenken des Pfarrers wussten die Offiziere zu beschwichtigen, er gab schließlich nach, und unverweilt ging es mit Hilfe von Mannschaften, die mit Fackeln und Schaufeln versehen waren, an die Arbeit. Glücklicherweise war der Knecht noch im Hause, der seinerzeit den Leichnam Hofers begraben hatte; unter seiner Anleitung begannen die Kaiserjäger in der sternenhellen Winternacht ihr mühevolles Werk. Lange währte es, bis die sechs Zoll tief halbgefrorene Erde durchbrochen war, die mitgebrachten Werkzeuge genügten nicht, sodass Hauptmann Rumpelmayer von einem Schanzkorporal einige Spitzhacken leihen musste. Hauger verließ vom ersten Spatenstich an keinen Augenblick die Grabstätte, die übrigen Offiziere suchten den Pfarrer mit Kartenspiel zu beschäftigen und abzulenken. Um die Mitternacht war bereits eine tiefe Grube ausgehoben und noch immer fand sich keine Spur der Gebeine. Auf die Aussage des Totengräbers, dass der Stein nicht ganz genau über der Grabstätte errichtet worden sei, grub man nun rechts und links unter der Erddecke weiter und bald stieß der grabende Jäger auf die ersten Knochen. Hauger, der anatomische Kenntnisse besaß, stieg in die Grube und nach kurzer Zeit war das Skelett bloßgelegt. Bei Kerzenschein erkannten die Offiziere in tiefer Ergriffenheit die Überreste des Helden; das Haupt und die Rippen zeigten die Spuren der tödlichen Kugeln, im flackernden Licht glänzten die tadellos erhaltenen Zähne, die Hände lagen kreuzweise übereinander. Hauger stellte nun die Gebeine fachkundig zusammen, die des Kopfes wurden mit besonderer Vorsicht in ein Taschentuch gebunden und dann alle mit besonderer Vorsicht in einem Sack und einer Truhe verwahrt. Hauger und nach einer anderen Darstellung auch die übrigen Offiziere nahmen je ein Stück der Fingerknochen als Andenken zu sich. Es war halb 2 Uhr früh geworden, bis die Offiziere und Soldaten mit den Überresten Hofers den Garten verlassen konnten. Am Morgen vor dem Abmarsch stellte Pfarrer Bianchi ein Zeugnis über die Echtheit der Gebeine Andreas Hofers aus. Auf dem Rückmarsch blieb das Skelett, in einem Rüstkasten verwahrt, in der besonderen Obhut Rumpelmayers, der in Trient die Truhe mit den Gebeinen auch in seinem Zimmer verwahrte und vom Bataillonstischler einen entsprechenden Sarg anfertigen ließ. In Trient fügte dann der Oberarzt Dr. Murko die einzelnen Teile des Gerippes mit Draht zusammen; am 1. Februar kam der Sarg mit Hofer nach Bozen. Von Verona aus hatten die fünf Offiziere am 10. Jänner die Meldung über das Geschehen an das Kommando des ersten Bataillons zuerst mündlich und dann schriftlich erstattet. Diese Meldung gelangte im Wege des Regimentskommandos an das Landespräsidium, an den Hofkriegsrat und an den Kaiser Franz. Die Absicht Hauptmanns von Sternbach, auf seinem Landgut in Sterzing den Gebeinen Hofers eine dauernde Ruhestätte zu bereiten, wurde durch folgende kaiserliche Verfügung gegenstandslos. Am 31. Jänner 1823 erließ Kaiser Franz ein Handbillett an den Präsidenten des Hofkriegsrates FM Graf Bellegarde, in dem er „das eigenmächtige und ohne allen Befehl und höherem Vorwissen“ erfolgte Vorgehen der fünf Offiziere ausdrücklich missbilligte und den Befehl beifügte, gegen diese Offiziere, „um auch künftig allen Willkürlichkeiten kräftig vorzubeugen“, nach dem Gesetz vorzugehen. Der Hofkriegsrat wurde sogleich einberufen und führte eine langwierige, strenge Untersuchung gegen die „Sandwirtsgräber“, die zur persönlichen Einvernahme nach Innsbruck zitiert wurden. Das Ergebnis dieser Untersuchung wurde dem Kaiser in einer ausführlichen Denkschrift vorgelegt, die auch die Rechtfertigung der Offiziere enthielt. Der zweite Regimentsinhaber, FML Baron Fenner, begleitete den Untersuchungsakt mit der schriftlichen Bitte um Rücksichtnahme auf die edlen Beweggründe der Beschuldigten. Nach dem Schiedsspruch der Gerichtskommission, deren Vorstand für die Hauptleute dreimonatigen, für den Oberleutnant zweimonatigen und für den Leutnant einmonatigen Profosenarrest beantragt hatte, stellte der Appellationsreferent mit Rücksicht auf verschiedene „lindernde Umstände“ den Antrag, im Wege der Gnade die drei Hauptleute mit sechstägigem, Schön und Hauger mit dreitägigem Hausarrest unter strenger Verweisung ihrer Eigenmächtigkeit zu bestrafen. Diesem Antrag trat das Obergericht bei, der Hofkriegsrat empfahl aber in seinem Vortrag an den Kaiser mit Rücksicht auf die beste Gesinnung und den Patriotismus der Angeklagten, denen eine eigentliche Subordinationsverletzung nicht nachzuweisen sei, dass den Offizieren „die ihnen zur Last fallende Unterlassung nachdrücklich verhoben und die Unzufriedenheit ihrer Vorgesetzten zu erkennen gegeben würde“. Nach diesem Antrag überließ Erzherzog Ludwig am 2. September 1823 auf allerhöchsten Befehl dem Hofkriegsrat „die angemessene Zurechtweisung dieser Offiziere“. Auf diese Art entrannen die fünf „Sandwirtsgräber“ im Gnadenweg einer Arreststrafe und kamen mit einem Verweis davon. Den Männern, die – ihrem vaterländischen Empfinden folgend – den Helden von Mantua heimgeholt hatten, ward weder Dank noch Lohn, ja es scheint, dass ihre dienstliche Zukunft nicht mehr besonders verlockend war. Bezeichnend ist jedenfalls die Tatsache, dass 1831, also acht Jahre nach der Ausgrabung in Mantua, kein einziger dieser Offiziere mehr in österreichischem Armeedienst stand. Finden sich auch keine offenkundigen Beweise, dass dies mit ihrer Tat in Zusammenhang steht, so dürften die weiteren Auswirkungen des hofkriegsrätlichen „Gnadenverweises“ immerhin auch zu diesem frühzeitigen „Abschied“ beigetragen haben. Nun soll zunächst der Weg verfolgt werden, den Andreas Hofers Gebeine im Geleit der Tiroler Kaiserjäger von Trient aus in das Innere des Landes nahmen. Gleich nach der Ankunft in Trient erstattete der Kommandant des 1. Bataillons des Tiroler Kaiserjägerregiments, Major Graf Begna, dem Regimentskommando nach Innsbruck die Meldung von der Exhumierung Hofers. Regimentskommandant Oberst Baroni beauftragte das Bataillon, Hofers Überreste vorläufig dem Kreisamt in Bozen zu übergeben, und machte den Landesgouverneur von Tirol, den Grafen Chotek, mit der Sachlage bekannt. Graf Chotek, eine hervorragende Persönlichkeit von hohen Geistesgaben und einem in solcher Stellung ungewöhnlichen Freimut, erkannte sofort, welche Bedeutung die Überbringung der Gebeine Andreas Hofers für das Land Tirol habe und welche Pflicht daraus der Regierung erwachse. Zunächst beauftragte der Gouverneur den Kreishauptmann Hauer von Bozen, die Überreste Hofers zu übernehmen und sie, um allen weiteren Verwicklungen auszuweichen, in die Obhut der kirchlichen Behörden zu geben, bis von der Wiener Regierung nähere Weisungen herablangen würden. Gleichzeitig meldete Graf Chotek den Vorfall unverzüglich dem Minister des Inneren, dem Grafen Saurau, in einem „sehr dringlichen Bericht“, in welchem er betonte, dass die Überführung Hofers nach Tirol „allgemeine freudige Teilnahme“ erregt habe und es bei der Bevölkerung „sicher übel aufgenommen würde, wenn aus diesem Anlass nichts geschehe oder man diesfalls Hindernisse in den Weg legen wolle“. Der Bericht schloss mit der Anregung, von Seiten des Landes mit Hilfe von Subskriptionen ein Denkmal zu Ehren des Helden zu errichten. Vom 1. bis 16. Februar blieb der Leichnam des Sandwirtes in der Propsteikapelle in Bozen aufgebahrt, nachdem der damalige Propst von Bozen, Alois dal Piaz, zur Übernahme der Gebeine mit Freuden bereit war. Inzwischen hatte Kaiser Franz I. bereits am 28. Jänner angeordnet, dass „für die Bestattung der Überreste des Edlen von Hofer in der Hofkirche zu Innsbruck auf eine anständige Art zu sorgen, jedoch dabei mit der nötigen Klugheit vorzugehen sei“. Die näheren Bestimmungen waren dem Ermessen des Grafen Chotek anheimgestellt. Am 6. Februar leitete Graf Chotek den Befehl nach Bozen weiter, die Überreste Hofers nach Innsbruck zu überführen. Der Transport durfte allerdings nicht vor der ersten Fastenwoche in der Landeshauptstadt eintreffen und musste „zur Wahrung des stillen Ernstes“ heimlich erfolgen. In der Nacht des 17. Februar, um 2 Uhr früh, wurde der Sarg unter dem Schutz der nächtlichen Dunkelheit aus der Bozner Propsteikapelle gehoben, unter Stroh und einer Decke versteckt, auf einen Leiterwagen verladen und durch den Bozner Müllermeister Malfertheiner in Begleitung eines Kreisamtsdieners nach Innsbruck überführt. Der Sargwagen war am gleichen Tag in Sterzing angekommen, passierte den Brenner, kam am 18. zum Schönberg und erreichte am 19. Februar in der Früh zwischen 5 und 6 Uhr die Innsbrucker Stadtgrenze bei der Triumphpforte, wo er von einer Polizeimannschaft in Empfang genommen und der Sarg in das benachbarte Servitenkloster übertragen wurde. Es war dank der vorsichtigen behördlichen Überwachung gelungen, den Transport der Gebeine Hofers von Bozen nach Innsbruck „vorschriftsgemäß und ohne jedes Aufsehen“ durchzuführen. In Innsbruck hatte inzwischen Graf Chotek mit der ihm eigenen Energie doch alles vorbereitet, um wenigstens die Bestattung Andreas Hofers, trotz der mit Rücksicht auf die Regierung gebotenen Vorsicht, zu einer Landes-Trauerfeier zu gestalten. Graf Chotek berichtete noch am 19. Februar das Eintreffen der Leiche nach Wien und betonte bezeichnenderweise, „dass über diese Ereignisse auch in der Zeitung – dem damaligen Boten für Tirol und Vorarlberg – berichtet werden müsse“. Der fürsorgliche Landesgouverneur legte auch gleichzeitig einen Artikelentwurf zur Genehmigung bei. Um aber die Beteiligung am Leichenbegängnis trotz der noch immer „gebotenen Vorsicht“ zu einer großartigen zu gestalten, sandte Graf Chotek persönliche Einladungsschreiben an alle Behörden und Honoratioren der Landeshauptstadt. Am 21. Februar erklangen schon um 2 Uhr nachmittags von Wilten herab die Trauerglocken. Gegen 3 Uhr wurde der Sarg mit den Gebeinen Hofers aus der Zelle Nr. 14 im Servitenkloster in die Innsbrucker Hofkirche übertragen. Verdienstvolle Landesverteidiger von 1809 – es waren Matthias Hell und Josef Nagele von Völs, Josef Mayr von Mutters, Josef Abenthung von Götzens, Josef Patsch von Wilten, der Bärenwirt Josef Natterer von Hötting und Johann Etschmann von Mutters – trugen den Sarg, auf dem Hofers Hut und Säbel sowie die goldene Ehrenkette des Kaisers und sein Wappenschild lagen. Dicht hinter dem Sarg schritten Hofers Waffengefährten, der Landesschützenmajor und Kronenwirt von Hall Josef Ignaz Straub und Kajetan Sweth, der treue „Döninger“ des Sandwirtes. Den feierlichen Trauerzug eröffnete die Wiltener Schützenkompanie mit umflorter Fahne, es folgten Zünfte, die Vertreter der Landes- und Stadtbehörden, die Gymnasialjugend und die Lyzealstudenten. In Vertretung der Regierung nahm der Landesgouverneur Graf Chotek mit seinen Beamten teil, dann der Stadtklerus unter der Führung des Abtes von Wilten Alois Röggl. Weiters beteiligten sich der Stadtkommandant General Lussem, das Offizierskorps der Tiroler Kaiserjäger und eine Abteilung Jäger „ohne Armatur“. Erst gegen 4 Uhr erreichte der Trauerzug die Hofkirche, wo die Leiche Andreas Hofers an der Stelle des ersten Seitenaltars links neben dem Eingang in die bereitgehaltene Grabstätte versenkt wurde. Am nächsten Tag fand im Gotteshaus ein feierliches Requiem statt, dessen Musik vom Tiroler Landesverteidiger Oberleutnant Johann Gänsbacher, dem späteren Domkapellmeister von St. Stephan in Wien, stammte. Auffallenderweise nahm kein Familienmitglied Hofers am feierlichen Leichenbegängnis teil; weder die Sandwirtin noch ihr Sohn Johann oder ihre vier Töchter gaben dem Gatten und Vater auf dem Weg in die Ehrengruft das letzte Geleit. Ob rein persönliche Gründe oder Hindernisse dieses Fernbleiben der Familienangehörigen veranlasst haben oder ob hierfür auch „höhere Rücksicht“ maßgebend war, ist nicht bekannt geworden. Der Dank des Landes Tirol, das sich in seinem Oberkommandanten selbst geehrt fühlte, fand in einer Adresse der Tiroler Landstände, die sich am 8. April 1823 an den Kaiser richteten, beredten und begeisterten Ausdruck. Nun befahl Kaiser Franz auch die baldige Errichtung eines dem Helden würdigen Denkmals, das sich auf Hofers Gruft in der Innsbrucker Hofkirche erheben soll. Am 16. Juli des gleichen Jahres ordnete der Monarch die Ausschreibung des Entwurfes an. An dem Wettbewerb beteiligten sich viele Tiroler Künstler, schließlich wurde der Entwurf des Malers Johann Martin Schärmer genehmigt; mit seiner Ausführung wurden die Professoren der Wiener Akademie Johann Schaller und Josef Klieber beauftragt. Schaller führte das Marmorstandbild Andreas Hofers aus, Klieber das Basrelief, das den Sockel ziert. Lange Zeit verstrich, bis man endlich geeigneten Laaser Marmor für die Statue fand, die Arbeiten gerieten wieder ins Stocken und erst am 5. Mai 1834 konnte das Denkmal enthüllt werden, das Basrelief vollendete Klieber aber erst am 30. September 1837. Seit über eineinhalb Jahrhunderten steht nun Andreas Hofers Marmorstatue über seinem Grab in der Hofkirche. An des Sandwirts Seite ruhen seine Waffengefährten Josef Speckbacher und Joachim Haspinger. Gedenktafeln in der Kirche erinnern an andere Helden des Freiheitskampfes. Ein halbes Jahrhundert später erhielt auch der Bergisel, die blutgeweihte Siegesstätte des Tiroler Helden, sein würdiges Denkzeichen. Heinrich Natter, der Meister des Waltherbrunnens in Bozen, formte Andreas Hofers Gestalt in Erz als machtvolles Sinnbild des Freiheitskampfes. Am 28. August 1893 fand im Anschluss an die erste Tiroler Landesausstellung in Gegenwart des Kaisers Franz Josef I. die feierliche Enthüllung des Andreas-Hofer-Denkmales auf dem Bergisel statt. Seit diesen Tagen ist Tirols Heldenberg zu einer Wallfahrtsstätte für Tausende aus aller Welt geworden, die zu Füßen des Hofer-Denkmales dem Helden der Freiheit und der todesmutigen Vaterlandsliebe huldigen. Das 100. Geburtstagsfest des Helden im Jahre 1867 zeitigte die Anregung der Erbauung einer eigenen Gedächtniskapelle in der Nähe des Geburtshauses Andreas Hofers. Erst 30 Jahre später, am 21. September 1899, wurde oberhalb des Sandhofes, in der Nähe der alten Muttergotteskapelle, die im neuromanischen Stil erbaute Herz-Jesu-Kapelle in Gegenwart des Kaisers feierlich eingeweiht; ihr Inneres hat Edmund Wörndle mit Fresken aus dem Leben des Sandwirtes geschmückt.